Heute gibt es einen Gastbeitrag von Roland Grünewald.
Er ist mein Herzensmensch und mein Fels in der Brandung.
Heute hat er mir einen Text zukommen lassen, den ich gerne einmal öffentlich mache. Er spricht mir so sehr aus der Seele.
Hier bitte:
In einer Welt, die sich ständig beschleunigt, verlieren wir oft das, was uns eigentlich ausmacht: Unsere Werte. Nicht zuletzt deutlich sichtbar in den sozialen Medien. Während aber viele darauf beharren, dass dies so „ein Social-Media-Ding“ ist, dem sei gesagt, das ist beileibe nicht so. Social Media führt uns nur mehr oder weniger ungefiltert vor Augen, wie es in uns Menschen aussieht. Natürlich verstecken sich manche vor der Anonymität, aber der Kern ist da. Und ich finde das absolut erschreckend.
Und ingesamt meine ich nicht die Werte, die irgendwo auf hübschen Postkarten stehen oder fleissig als Bilder in den sozialen Medien geteilt werden. Sondern die echten, inneren Werte. Die leisen Richtlinien, nach denen unser Herz sich sehnt und die uns Halt geben, wenn im Außen alles schwankt.
Werte wie Ehrlichkeit, Mitgefühl, Verlässlichkeit, Selbstachtung oder Verantwortung, sie sollten eigentlich selbstverständlich sein. Doch in einer Gesellschaft, in der Leistung, Anpassung und Perfektion oft mehr zählen als Menschlichkeit, gehen sie leise verloren. Oder wir lernen sie nie wirklich, weil sie uns niemand vorlebt.
Dabei sind es genau diese Werte, die unsere Entscheidungen führen, unsere Beziehungen nähren und unser Selbst stärken.
Und wenn sie fehlen, wenn wir sie verdrängen oder vergessen, entsteht etwas anderes an ihrer Stelle: Glaubenssätze.
Verinnerlichte Sätze, die uns sagen, wie wir sein müssen, um sicher oder liebenswert zu sein.
Dieser Beitrag ist eine Einladung, genau hinzusehen 🙂
Ich komme gerade vom Spaziergang mit unseren Hunden zurück. Bei 23 Grad Aussentemperatur schaffen wir es gerade mal von Baum zu Baum, da unser Galgomädchen die Hitze auf ihrem Rücken irgendwie fehlverknüpft hat und denkt, jemand tue ihr etwas an.
So schlendern wir also gemütlich umher und schaffen es trotz der Langsamkeit eine Frau mit Kinderwagen einzuholen. Hin und wieder konnte ich hören, was sie mit ihrem Kind redet. Das Kind war noch klein, ich würde sagen, noch kein Jahr alt.
Das erste was ich hörte war: „Hoppe hoppe Reiter, wenn er fällt dann schreit er.“ Jaaaa, werden jetzt viele sagen, klar, das habe ich auch immer gesungen. Ich fand es auch erst einmal gar nicht so schlimm, ja ein Kinderlied halt. Aber lässt man sich den Text achtsam auf der Zunge vergehen, dann kann einem schon anders werden.
Hoppe, hoppe, Reiter,
wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er in den Graben,
fressen ihn die Raben.
Fällt er in den Sumpf,
macht der Reiter plumps.
Ich bin wahrlich kein Spielverderber. Aber Glaubenssätze können genau hier entstehen.
Zum einen spielt das Lied mit der Angst vor dem Fallen, auch mit dem Verschwinden (im Graben) und sogar mit dem Gefressenwerden.
Für ein Kind kann das dies bedeuten: Wenn ich falle (oder versage), passiert etwas Schreckliches.
Für uns Erwachsene ist der Text lustig, er wird ja schon seit Generationen weitererzählt bzw. vorgesungen.
Aber in dem Text fehlt Sicherheit. Niemand tröstet den Reiter oder versucht ihn aufzufangen. Das Kind könnte mit sich mit einer Angst irgendwann alleine gelassen fühlen.
Und am Ende des Liedes wenn das Kind plötzlich „fallen gelassen“ wird erlebt es den Verlust von Sicherheit als Spiel. Mit dem Satz „wenn er fällt, dann schreit er“ wird der Reiter auch keinesfalls ernst genommen.
Ich möchte hier nichts ankreiden, aber manche Dinge würde ich heutzutage überdenken. Dieses Lied alleine wird nun beileibe kein depressives und suzidgefährdetes Kind entstehen lassen, aber es gibt durchaus Konstitutionen unter uns, bei denen sich unter anderem genau so etwas ganz fies und unbewusst einbrennen kann.
Kleines Beispiel: Ich habe im Alter von 5 Jahren von meinem Onkel Rudi (falls er das je lesen sollte, wird er sich wahrscheinlich gar nicht daran erinnern) etwas gesagt bekommen. Und zwar starb damals meine Tante an Suizid. Nicht der einzige Grund, aber mit ein Grund, weswegen ich deutlich achtsamer durchs Leben gehe und feinfühlig bin, was zu diesen Problemen führen kann. Jedenfalls fragte ich meinen Onkel entweder wieso man stirbt, oder wann man stirbt. Den genauen Wortlaut weiss ich nicht mehr. Seine Antwort war: „Wenn das Herz stehen bleibt.“
Nun, DARAUS habe ich sicherlich keinen dauerhaften psychischen Knacks bekommen. ABER: Ich habe danach wochenlang gehört, ob mein Herz noch schlägt. Klingt witzig, aber das empfand ich nicht so.
Was sollte also das Kind anstatt Hoppe Reiter besser zu hören bekommen?
Zum Beispiel: „Du wirst gehalten. Du bist sicher. Wenn du fällst, ist jemand da.“
Und wie gesagt, ich bin kein Helikopter-Papa. Kinder müssen Dinge lernen! Und ich bin auch kein Hardcore-Belehrer. Ich mache Dinge für mich, entscheide für mich und gehe für mich so durchs Leben, dass ich ein Vorbild sein könnte.
Aber die Zeiten, dass ich denke, ich muss die Welt aktiv verändern, die sind vorbei. Ich versuche es passiv, so wie jetzt in diesem Moment.
Nun gut, jedenfalls war das Kinderlied für mich persönlich zuerst gar nicht so sehr das, was innerlich Kopfschütteln verursacht hat, das kam erst so mit dem Nachdenken darüber. Was in diesem Moment für mich sehr viel schlimmer war war, dass das Kind immer wieder so etwas wie „ja ja“ plapperte. Ich schätze es wird noch viel zu jung gewesen sein, zu verstehen, was es da plappert. Ein erstes „Ja“ weil es versteht, was es damit meint, kommt meist erst im Alter zwischen einem und zwei Jahren vor.
Und in dem Moment als ich bereits an Mutter und Kinderwagen vorbei war sagte die Mutter zum Kind: „Ja genau, das ist ein tolles Wort. Das andere braucht man gar nicht.“ Das anderes, was sie meinte war „Nein“.
Und da war ich innerlich schon baff. Natürlich hat das Kind diese Situation – zumindest bewusst – nicht begriffen. Aber wenn eine Mutter dies in solch jungen Monaten schon – und hier sehr bewusst – beibringt, dass „Nein“ nicht erwünscht ist, dann ist sie sich dessen Tragweite (natürlich) nicht bewusst.
Was lernen wir denn? Ein Nein ist negativ. Immer. Wollen wir Nein sagen? Nein. (Komischerweise da geht es dann plötzlich 🙂 )
Als Kind lernen wir automatisch, dass bei einem Nein Dinge passieren können: Liebesentzug, Strafe, Enttäuschung der Eltern, Ablehnung.
Dabei und da könnte ich ein ganz eigenes Kapitel schreiben und mache das absichtlich so: NEIN-SAGEN IST WICHTIG!
Ich muss Nein sagen können, ich muss es dürfen, damit ich es auch adäquat in meinem Leben nutzen kann.
Seltsamerweise möchte niemand einen „Ja-Sager“ als Part an seiner Seite haben. Aber Nein-Sagen können wir gar nicht. Was eine verzwickte Situation.
Und dann kommt da die Mutter daher und bringt ihrem kleinen Hosenpupser schon bei, dass Ja-Sagen viel besser ist und wir das „andere Wort“ gar nicht brauchen.
Daher empfehle ich: Gehe mal in dich. Spüre beim nächsten Mal, wenn du vor einer Ja/Nein-Entscheidung stehst. Sage ich Ja, weil ich es 100% will, weil ich dahinter stehe, weil ich es für mich tue, weil es mir damit gutgeht.
Oder sage ich nur Ja, damit ich nicht Nein sagen muss? Etwa um den anderen nicht zu verletzen, um dem anderen keine Möglichkeit zu bieten, schlecht über mich zu reden, um dem anderen keine Angriffsfläche zu bieten.
Du bist dein Leben und nicht „der Andere“.
Wenn wir erst einmal beginnen, unsere Glaubenssätze zu hinterfragen, tun wir vor allem weit mehr als „mentale Aufräumarbeit“.
Wir schaffen neuen Platz für unsere echten Werte. Für das, was uns wirklich wichtig ist. Für das, was unser Leben sinnhaft und uns selbst authentisch macht.
Denn tief in uns wissen wir, was richtig wäre. Wir spüren, was wir brauchen, wofür wir stehen wollen, und wer wir sein könnten, ohne die alten Muster, ohne den inneren Druck.
Doch viele haben diesen inneren Kompass verlernt. Oder nie entdecken dürfen.
Genau hier setzt übrigens mein Buch „Dein vergessener Kompass: Die Reise zu deinem authentischen Selbst“ an.
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Es ist keine Anleitung im klassischen Sinne, sondern eine Einladung zur Rückverbindung.
Zu deinen echten Werten. Zu deinem inneren Wegweiser. Zu dem Teil in dir, der schon immer wusste, wohin du eigentlich gehörst.
💬 Wenn du dir selbst wieder näherkommen willst, ist dieses Buch mehr als eine Empfehlung. Es ist ein kleiner Heimweg.
In diesem Sinne.
Herzliche Grüße
Roland
Vielen lieben Dank Roland.
P.S.: Hast du auch mal Lust einen Gastbeitrag zu veröffentlichen, weil dir emotional oder mental oder etwas auf der Seele liegt, dann melde dich gerne bei mir.
Liebe Grüße
Kathi